Der Weihnachtsmann und sein Business
von Stephanie Hill
Es war einmal ein Weihnachtsmann. Er liebte sein Leben. Stets sagte er zu seinem Leitrentier Rudolph: „Weißt du Rudolph, wir haben zwar immer viel zu tun in der Weihnachtszeit. Doch wenn ich mir so die leuchtenden Augen der Menschen ansehe, wenn wir ihnen ihre Geschenke bringen, dann weiß ich es ganz genau: Wir beide haben einfach den schönsten Job der Welt!“ Dann lachte er laut und spazierte zurück in sein Haus.
Des Weihnachtsmanns 2. Business:
Dort ging er meist einer weiteren Lieblingsbeschäftigung nach: dem Plätzchenbacken. Bis zu 1.000 verschiedene Sorten probierte er schon aus. Zuerst hatte sein Hobby mit ein paar üblichen Weihnachtsplätzchen begonnen, die er mit den Geschenken einigen Familien gab. Diese waren so begeistert, dass sie das ganze Jahr über bei ihm Bestellungen aufgaben. Nach und nach backte der Weihnachtsmann exotischere Sorten. Er bekam so viele Anfragen und Bestellungen, dass er manchmal mit dem Backen kaum nachkam. Dann verkaufte er seine Plätzchen über einen Online-Shop an Familien auf der ganzen Welt und konnte sich so neben dem Weihnachtsgeschäft etwas dazu verdienen.
Des Weihnachtsmanns 3. Business:
Nach dem Plätzchenbacken machte der Weihnachtsmann meistens einen Spaziergang durch den Wald. Er liebte den Geruch von Tannennadeln und hatte deshalb seinen eigenen kleinen Wald mit Nadelbäumen gepflanzt. Er hegte und pflegte seine Tannenbäume mit viel Liebe und Hingabe. Als er seinen kleinen Wald seinem Freund Manfred zeigte, war dieser erstaunt. Er bewunderte die Bäume und sagte: „Ich habe noch nie so schöne Tannenbäume gesehen. Darf ich einen haben?“ Der Weihnachtsmann schenkte seinem Freund Manfred ein kleines Weihnachtsbäumchen. Sie gruben den Tannenbaum aus und Manfred pflanzte ihn in seinen Garten an einen Platz, direkt vor dem Fenster seines Wohnzimmers. So konnte er ihn schmücken und an Weihnachten ansehen. An Heiligabend lud Manfred all seine Freunde und seine Familie zu einem großen Weihnachtsessen ein. Jeder seiner Gäste bestaunte den kleinen Tannenbaum, der voller Schönheit und Pracht glänzte. Sie fragten: „Wo hast du diesen wunderschönen Baum her?“. Als sie erfuhren, dass der Baum vom Weihnachtsmann sei, stürmten sie am nächsten Tag alle zum Weihnachtsmann und wollten ebenso einen schönen Tannenbaum haben. So entstand des Weihnachtsmanns drittes Business: der Verkauf von Weihnachtsbäumen.
Das alltägliche Chaos
Jahrelang backte der Weihnachtsmann Plätzchen, er pflanzte und pflegte Tannenbäume und er versorgte Familien an Weihnachten mit Geschenken. Alle Aufgaben liebte er. Doch es gab eine Zeit, da wurde es schwieriger und schwieriger für ihn, all seine Aufgaben mit Liebe und Hingabe zu erfüllen. An manchen Tagen backte er morgens um 4 Uhr schon Plätzchen, dann kümmerte er sich um seine Weihnachtsbäume, dann backte er wieder Plätzchen und zwischendrin bekam er etliche Anrufe mit Weihnachtswünschen, Plätzchenbestellungen oder Weihnachtsbaum-Aufträgen. Die Tage glichen einem wilden Durcheinander, dem der Weihnachtsmann kaum Herr wurde. Ab und an passierte es ihm, dass er Bestellungen verwechselte. Als eine ältere Dame 50 Vanillekipferl wünschte und ein Geschäftsmann 100 Weihnachtsbäume für seine Filialen bestellte, vertauschte er die Aufträge. So bekam die ältere Dame 50 Weihnachtsbäume geliefert und der Geschäftsmann bedankte sich für 100 Vanillekipferl und fragte, wann seine Bäume eintreffen würden.
Auf zu neuen Ufern
Eines Abends nach einem anstrengenden Arbeitstag setzte sich der Weihnachtsmann in seinen Sessel. Er war müde und hatte zum ersten Mal in seinem Leben, keine Lust über Weihnachten nachzudenken. Er freute sich auch nicht mehr über das Leuchten in den Augen der Menschen, die er beschenken würde. Er wünschte sich stattdessen einen Urlaub in der Südsee am Strand, wo ihn nichts an Weihnachten erinnern würde. Als er so über den Sandstrand und erfrischende Cocktails nachdachte, klopfte es an der Tür. Rudolph kam rein. Er gesellte sich öfter mal am Abend zum Weihnachtsmann, um ihm Gesellschaft zu leisten. Meist tranken sie dann einen Glühwein und machten Weihnachtswitze bis Rudolphs Nase rot leuchtete. Doch diesmal wirkte Rudolph ganz ernst. Er setzte sich auf einen Stuhl gegenüber vom Weihnachtsmann und sagte: „Weihnachtsmann, wir müssen reden.“. Der Weihnachtsmann schaute ihn erstaunt an und sagte: „Was ist mit dir Rudolph?“ Rudolph starrte ihn lange an, dann erhob er seine Stimme und klang dabei aufgebracht und verärgert: „Weißt du, wir haben wirklich Geduld und wir Rentiere sind auch ganz pflegeleicht. Unseren Stall misten wir mittlerweile sogar selbst aus. Doch dass du nun sogar vergessen hast, Futter zu kaufen und unseren Stall nur noch einmal die Woche besuchst, das finden wir sehr traurig. Wir haben wirklich Hunger und machen uns Sorgen.“ Der Weihnachtsmann war geschockt. Er wurde so rot im Gesicht, wie sonst Rudolphs Nase. „Oh Rudolph, es tut mir so leid. Ich schäme mich so. In dem ganzen Trubel habe ich euch wohl vergessen“, sagte er beschämt. Eine Weile saßen sie stumm da. Dann ergriff der Weihnachtsmann erneut das Wort: „So kann es nicht mehr weitergehen. Wir müssen etwas ändern. Ich weiß nur noch nicht was.“ „Weihnachtsmann, ich weiß, du liebst jeden deiner Jobs. Doch du musst dich besser organisieren. Ich vermisse, die Zeiten, in denen du entspannt warst und freudig in unseren Stall gekommen bist“, sagte Rudolph. „Ja, das war schön“, bestätigte der Weihnachtsmann. Dann saßen sie wieder still da. „Wie wär‘s, wenn du deine Aufgaben besser sortierst?“, fragte Rudolph. „Sortieren? Wie meinst du das?“, sagte der Weihnachtsmann ungläubig. „Ganz einfach: Um Wunschzettel kümmerst du dich nur noch montags und in der Weihnachtssaison von Montag bis Mittwoch. Am Donnerstag verkaufst du Weihnachtsbäume und Plätzchenbestellungen nimmst du am Freitag entgegen. Dann hast du das Wochenende zum Backen. Wenn du dir das so einteilst, kannst du dich besser auf deine Aufgaben konzentrieren und verwechselst nicht ständig alles. Multitasking ist nichts für dich, Weihnachtsmann. Außerdem ist das auch nicht gesund. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass man viel produktiver ist, wenn man sich auf eine Sache konzentriert und während der Arbeit nicht ständig von E-Mails und Anrufen abgelenkt wird“, erklärt Rudolph. „Das stimmt“, sagte der Weihnachtsmann, der seit Wochen nicht mehr gut schlafen konnte und wilde Träume von Wunschzetteln, Weihnachtsbäumen und Plätzchen hatte. „Du hast recht, Rudolph. Ich werde mir meine Zeit besser einteilen. Dann kann ich zu Mittagszeit immer zu euch in den Stall kommen. In dieser Zeit mach ich dann auch mein Handy aus. Versprochen!“, sagte der Weihnachtsmann.
Die neue Motivation
Rudolph freute sich. Sie sahen sich eine Weile an und dann lachten sie. Sie feierten die neue Arbeitsweise des Weihnachtsmanns mit einem Glühwein. Cocktails und Strand hatte der Weihnachtsmann längst wieder vergessen. Stattdessen war er plötzlich motiviert und machte sich einen Arbeitsplan für die ganze Woche. Er schrieb alles auf und legte Zeiten fest, wann er was abarbeiten wollte. In den darauffolgenden Tagen arbeitete der Weihnachtsmann so produktiv und schnell wie noch nie. Er war entspannter, weil er sich für jede seiner Aufgaben Zeit nahm und sich darauf fokussierte. Jeder Job, jede Aufgabe hatte ihren Platz in seinem Leben gefunden. Er versuchte gar nicht mehr alles gleichzeitig zu erledigen. Seine Kunden waren zufriedener. Sie erhielten pünktlich ihre gewünschten Lieferungen. Auch er war entspannter und freute sich plötzlich wieder auf jede seiner Aufgaben. Mittags kam der Weihnachtsmann pünktlich um 12 Uhr in den Rentierstall. Sein Handy hatte er im Haus liegen lassen – absichtlich natürlich. Dann ging er zu Rudolph und sagte: „Weißt du Rudolph, wir haben zwar immer viel zu tun in der Weihnachtszeit. Doch wenn ich mir so die leuchtenden Augen der Menschen ansehe, wenn wir ihnen ihre Geschenke bringen, dann weiß ich es ganz genau: Wir beide haben einfach den schönsten Job der Welt!“ Rudolph freute sich endlich wieder diese Sätze zu hören – so sehr, dass seine Nase rot wurde. Der Weihnachtsmann lachte und sie umarmten sich.
Der Weihnachtsmann hat etwas Wichtiges gelernt:
Wer seine Arbeit gut einteilt und feste Zeiten für seine Erreichbarkeit festlegt, schafft mehr, lebt glücklicher und gesünder.